Das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG): Eine Bilanz

von Henning Kühl | | Infos, News

Dieser Artikel erläutert die Ursachen für das Zustandekommen des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) und gibt den aktuellen Diskussionsstand dazu wieder. Besonders erbittert wurde um die Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven gestritten. Hier stehen Partikularinteressen ausscheidender Versicherungsnehmer dem Kollektivinteresse der verbleibenden Versicherten gegenüber. Am Ende wird erläutert, warum auch der Zweitmarkt für Lebensversicherungen vom LVRG profitiert.

Lebensversicherungen hatten im vergangenen Jahr gleich ein doppeltes Problem: Die niedrigen Zinsen und die niedrigen Zinsen. Denn einerseits warfen festverzinsliche Wertpapiere immer geringere Renditen ab. Dafür stiegen jedoch die Bewertungsreserven, die sich aus der Wertdifferenz aus alten Zinspapieren zum tagesaktuellen Wert ergaben. Davon hatten die Versicherungsgesellschaften jedoch nichts. Denn jeder Kündigung eines Versicherungsnehmers musste dieser hälftig an den Bewertungsreserven beteiligt werden. Das zwang die Versicherer dazu, Wertpapiere zu verkaufen, was zu enormen Mittelabflüssen führte – eine schreiende Ungerechtigkeit, wie es Felix Hufeld von der BaFin gegenüber der „Welt“ formulierte. Die alte Regelung half also nur wenigen ausscheidenden Kunden, die Versichertengemeinschaft wurde hingegen benachteiligt. Eine Neuregelung war als auch eine Frage der Gerechtigkeit: Gegenüber den Generationen und gegenüber den anderen Versicherten. Danach dürfen ausscheidende Kunden nur noch an den Bewertungsreserven beteiligt werden, wenn sie den Sicherungsbedarf überschreiten. Dies unterstreicht, dass die BaFin den Sicherheitsaspekt im Vordergrund gestellt haben will.

DAV: Bewertungsreserven sind keine real erzielten Gewinne

 

Was ist das LVRGAuch die Deutsche Aktuarsvereinigung (DAV) begrüßte die Neuregelung. Seit Inkrafttreten des Gesetzes werden Versicherte bei Ausscheiden aus dem Vertrag nicht mehr in dieser Form an den Bewertungsreserven beteiligt. Die DAV begründete die Notwendigkeit dieser Gesetzesnovelle damit, dass das angelegte Kapital generationenübergreifend und nicht etwa vertragsindividuell erfolge, wie etwa beim Sparplan. Eine Liquidierung von langfristigen Wertpapieren zur Finanzierung einzelner Interessen dürfe nicht zu Lasten des Versichertenkollektivs gehen, so die DAV gegenüber dem Versicherungsboten. Ohnehin seien Bewertungsreserven keine real erzielten Gewinne. Auszahlungen aus diesem Topf müssen also unweigerlich zu einer Schwächung des Anlagebestands führen. Die Funktion der Bewertungsreserven sei die eines Risikopuffers bei Kapitalmarktschwankungen.

Das Versichertenkollektiv geht verstärkt aus dem LVRG hervor

Das Versichertenkollektiv – eine Erfindung, die bereits auf die Eranos-Vereine der Antike zurückgeht, ist ein Gebilde, das auf Gerechtigkeit angewiesen ist. Denn Risiken und Erträge sollen gleichermaßen über alle Schultern – sowie über lange Zeiträume verteilt werden. Interessanterweise ist es ausgerechnet der Gerechtigkeitsaspekt, der bei der Lebensversicherung im Zusammenhang mit dem LVRG am heftigsten diskutiert wird. Ungerecht, rufen einerseits die Verbraucherschützer, denn ausscheidende Versicherungsnehmer sollen nun weniger Geld bekommen. Gerecht, sagen die anderen, denn das verbleibende Kapital kommt der Versichertengemeinschaft zugute. Allianz-Vertriebschef Andreas Wimmer weist die Kritiken von Verbraucherschützern an das LVRG zurück, denn mit dem Gesetz werde das Versichertenkollektiv nachhaltig gestärkt, so Wimmer gegenüber der Versicherungswirtschaft. Das neue Gesetz stelle bei niedrigen Zinsen eine faire Überschussbeteiligung zwischen den Kunden sicher und verbessere somit die Vergleichbarkeit der Produkte. Auch die Neuregelung der Bewertungsreserven und die Erhöhung der Mindestbeteiligung an den Risikoüberschüssen von 75 auf 90% hebt Wimmer dabei positiv hervor.

BVK-Präsident: LVRG verbessert Zukunftsfähigkeit

Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) begrüßt das LVRG. Es diene in erster Linie der Festigung der Zukunftsfähigkeit, so BVK-Präsident Michael H. Heinz. Durch Inkrafttreten des LVRG würden faire und stabile Leistungen auch für diejenigen garantiert, die weiter im Versichertenkollektiv verbliebe, so Heinz gegenüber dem Ruhestandsmonitor. Auch die höhere Beteiligung an den Risikogewinnen begrüßte der BVK.

Towers Watson Studie: Lebensversicherungen sind durch das LVRG sicherer geworden

Das LVRG war notwendig, um die Lebensversicherung sicherer zu machen erklärt Frank Schepers, Versicherungsexperte bei der Unternehmensberatung Towers Watson in einer aktuellen Studie. Weil das LVRG durch die Neuregelung der Beteiligungen an den Bewertungsreserven den Abfluss von Kapitalbeständen gestoppt habe, seien die Garantien der Versicherer insgesamt sicherer geworden, so Schepers. Dabei gehe es besonders um Zinszusagen aus vergangenen Jahrzehnten, bei einigen Policen immerhin bis zu 4%. Aus diesen langfristigen Zinszusagen folgt auch die Notwendigkeit der Versicherer, vorwiegend in festverzinslichen Wertpapieren zu investieren. Die BaFin wache als Aufsichtsbehörde darüber, ob sich Versicherer solche Ausschüttungen überhaupt leisten können. Sicherheit und Stabilität stehen dabei im Vordergrund. Nach welchen Kriterien die BaFin dabei vorgeht, ist nicht bekannt. Branchenkenner gehen jedoch von einer extrem konservativen und sicherheitsorientierten Wahrnehmung der Versicherungsaufsicht aus. Nach Auswertung von frei zugänglichen Datenbanken der BaFin kam auch Towers Watson zum Schluss, dass der Gesetzgeber im letzten Jahr eingreifen musste, da die Stabilität infolge von Liquidierung von Wertpapieren gefährdet war. Schepers stellt fest, dass niemand seine Versicherung aus Angst vor einer Versicherungspleite kündigen müsse. Dagegen spricht schon die Existenz des Zweitmarktes, der sich seit Inkrafttreten des Gesetzes weiter im Aufwind befindet.

Straubinger: LVRG hat Ungleichheiten beseitigt

Das LVRG sei hingegen nicht als Rettungspaket für Versicherungsgesellschaften zu verstehen, betonte der bayerische CSU-Abgeordnete Max Straubinger gegenüber dem Bayernkurier. Vielmehr nutze die Reform in erster Linie den Versicherten selbst. Die neue Regelung hätte vor allem dazu geführt, dass die Lebensversicherung noch sicherer und stabiler geworden sei, zumal es auch an Alternativen fehle. Ungleichheiten innerhalb der Versichertengemeinschaft wären nun beseitigt worden, so Straubinger weiter.

Zweitmarkt im Aufwind: Jede zweite Police wird angekauft

Der Zweitmarkt für Lebensversicherungen konnte vor dem LVRG kaum vom stetig steigenden Stornovolumen profitieren. Das Ankaufsvolumen betrug in den vergangenen Jahren weniger als 2% des Stornovolumens, wie der Versicherungsbote berichtete. Seit dem Inkrafttreten des LVRG verspürt der Zweitmarkt jedoch einen starken Anstieg des Ankaufsvolumens. Das Gesetz wurde daher durch den Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt für Lebensversicherungen (BVZL) e.V. ausdrücklich begrüßt, erhöht es doch die Planungssicherheit und damit den Spielraum, um attraktive Kaufpreise zu erstellen. Das LVRG hat Ingo Wichelhaus zufolge wichtige Wachstumsvoraussetzungen für den Zweitmarkt geschaffen. Mittlerweile kann jede zweite eingereichte Police angekauft werden. Noch im vergangenen Jahr war die Ankaufsquote deutlich bescheidener.

Überblick: Wer ist für und wer ist gegen das LVRG?

Bilanz dieses Artikels zusammengefasst:

  • Niedrige Zinsen führten im vergangenem Jahr zu Problemen bei der Lebensversicherung

  • Hauptgrund für das LVRG war die Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven ausscheidender Versicherungsnehmer

  • Alte Gesetzesregelung führte zu Mittelabflüssen der Versicherer

  • Verbraucherschützer kritisieren das LVRG und setzen sich damit für die Einzelinteressen ausscheidender Versicherungsnehmer ein, während Fachverbände eher den Schutz des Kollektivs in den Vordergrund stellen

  • Towers-Watson-Studie belegt die verbesserte Sicherheit seit Inkrafttreten des LVRG

  • Zweitmarkt für Lebensversicherungen profitiert vom LVRG aufgrund der höheren Planungssicherheit durch den teilweisen Wegfall der Bewertungsreserven aus den Rückkaufswerten

  • Jede zweite Police kann mittlerweile angekauft werden

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