Ist eine Lebensversicherung nachhaltig?

von Rafael Kurz | | Infos, News
Ist eine Lebensversicherung nachhaltig?

Viele Verbraucher sind von nachhaltigen Investments enttäuscht worden. Seitdem sich nachhaltige Finanzanlagen, wie Prokon, als hochriskante Spekulationsgeschäfte entpuppt haben, wächst die Vorsicht. Die ist beispielsweise bei fondsgebundenen Lebensversicherungen geboten, wo es Policen gibt, die in Rüstungsgeschäfte investieren. Andere legen das Geld ausschließlich in nachhaltige Anlagen an. Nachhaltigkeit in der Versicherungswirtschaft lässt sich am ehesten anhand der Kreislaufwirtschaft erklären, wo Lebensversicherungen beispielsweise einer Zweitverwendung zugeführt werden. Aber auch andere Aspekte jenseits der Geldanlage unterstreichen die Bedeutung der Versicherung für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft: Für Viele war das bislang nur im Sinne von ökologischen Anlagen denkbar, wie sie beispielsweise der Windkraftfinanzierer Prokon betrieben hatte. Prokon hat stets im großen Stil mit Investments in Windrädern geworben. Ein Windrad war sogar Bestandteil des Firmenlogos. Damit konnten die Genussrechte-Anbieter lange Zeit Sympathien – und somit auch das Geld der Anleger gewinnen, Geld, das für die meisten Anleger im Zuge der Firmeninsolvenz Prokons wohl für immer verloren ist. Das Interesse an ökologischen und nachhaltigen Geldanlagen wächst dennoch weiter. Immer mehr Menschen wollen, dass mit ihrem Geld auch etwas Gutes getan wird. Prokon hat das für sich ausgenutzt und mit hochriskanten Genussrechten das Geld der Anleger verzockt.

Werden mit Lebensversicherungen Rüstungsgüter finanziert?

Auch Kunden von Lebensversicherungen können sich nicht immer sicher sein, ob ihr Versicherer das Geld nachhaltig anlegt. Wer beispielsweise über eine fondsgebundene Rentenversicherung versichert ist, könnte damit möglicherweise indirekt sogar die Rüstungsindustrie oder Unternehmen in der Gentechnik unterstützen. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung der Umweltschutzorganisation Urgewald. Die Organisation untersuchte die Fondsprodukte der zehn gängigsten Versicherer in Deutschland mit insgesamt 384 Fondsbeteiligungen. Darunter befanden sich Gelder in BAE Systems, einem Entwickler atombetriebener U-Boote, die Ölkonzerne Exxon Mobile und Royal Durch Shell, sowie das umstrittene Unternehmen Monsanto.

Was macht eine Lebensversicherung nachhaltig?

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Viele Anleger wollen in nachhaltige Anlagen investieren, aber die wenigsten wissen, wie das geht. Gerade Fondsbetreiber bieten auf den ersten Blick einfache Lösungen an, aber sind diese auch wirklich nachhaltig? Die Condor Lebensversicherung bietet beispielsweise eine fondsgebundene Lebensversicherung an, die vollständig auf nachhaltigen Fonds aufgebaut ist. Die nachhaltigen Fonds setzen auf unterschiedliche Kriterien, da es einheitliche Standards nicht gibt: Es gibt Fonds, die beispielsweise Unternehmen aus den Branchen Atomenergie, Rüstung und Glücksspiel ausschließen, andere den Fischfang und grüne Gentechnik und wiederum andere Fonds berücksichtigen bei der Auswahl Aspekte wie Ökoeffizienz, Gleichberechtigung und Sozialstandards. Aber sind derartige Ausschlusskriterien tatsächlich ausschlaggebend für ein nachhaltiges Altersvorsorgekonzept? Umfragen haben ergeben, dass Versicherten in erster Linie Verlässlichkeit und Sicherheit für die Altersvorsorge wichtig sind. Gerade diese Kriterien erfüllen fondsgebundene Lebensversicherungen weniger als klassische Kapitallebensversicherungen, die die Versicherten mit einer Mindestverzinsung gegenüber Verlusten absichern. Die Rendite ist dadurch zwar niedriger, aber auch sicherer. Zweitens haben Erfahrungen gezeigt, dass Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt über Rückkaufswert angekauft werden können und dadurch der Versichertengemeinschaft erhalten bleiben, wohingegen Fondspolicen nur eingeschränkt angekauft werden können. Wie Dr. Nikolaus Marbach im Lexikonartikel im CSR-Lexikon erläutert, ist die Kreislaufwirtschaft, deren Repräsentant der Zweitmarkt im Bereich Lebensversicherung ist, eine Antwort auf die Unzulänglichkeiten der Linearwirtschaft: Policen werden weitergeführt und deren Kündigung wird vermieden. Somit ist der Abschluss einer Kapitallebensversicherung nachhaltiger, als der Kauf einer nachhaltigen Fondspolice.

Versicherer an nachhaltigen Investments interessiert

Lebensversicherungen sind stets auf der Suche nach neuen Anlageformen, vor allem seitdem die Zinsen für Staatsanleihen, in die die Versicherer traditionell investieren, beständig fallen. Umso interessanter werden für die Versicherer zunehmend Investitionen in Infrastruktur und in erneuerbare Energien. Denn dort sind bei entsprechendem langfristigem Engagement langfristig kalkulierbare und stabile Erträge möglich. So investierte die Gothaer Versicherung zuletzt 150 Mio. Euro in Wind- und Solarparks des hessischen Projektentwicklers Juwi. Auch die Barmenia hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Versicherer sind damit zufrieden, denn diese Anlagen liefern gut vorhersehbare und stabile Cashflows. Voraussetzung ist freilich ein sehr langfristiges Engagement mit sehr hohen Summen. Anton Buchhart, bei Barmenia für die Kapitalanlagen zuständig, berichtet von 6,5% Rendite aus langfristigen Engagements in Windkraft und Infrastruktur. Allerdings sind solche Großinvestments stets mit hohen Anlaufkosten verbunden. Außerdem macht den Versicherern die neue Solvency II Richtlinie zu schaffen, nachdem Investments in erneuerbare Energien denselben Eigenkapitalrichtlinien unterworfen sind, wie Anlagen in Hedgefonds oder Private Equity Gesellschaften. Die Eigenmittelunterlegung muss nach der neuen Regelung bis zu 59% betragen. Privatanleger stehen hier zunächst außen vor. denn sie können weder solch hohe Summen aufbringen, noch die Langfristigkeit gewähren. Eine Alternative dazu ist der Kauf einer Police auf dem Zweitmarkt: Dabei erwirbt der Investor Rechte an Lebensversicherungen Dritter als reine Kapitalanlagen.

Studie: Beitrag der Assekuranz zum Wirtschaftswachstum

Die Versicherer haben nicht nur eine große Bedeutung als institutionelle Anleger, sie sind auch wichtig als stabilisierendes Element für die gesamte Volkswirtschaft. Manche sprechen gar von Systemrelevanz. Aber wie relevant sind Versicherer wirklich? Eine Studie wollte das herausfinden. Das Ergebnis: 0,2 Prozentpunkte verdankt das deutsche Wirtschaftswachstum allein der Versicherungswirtschaft. Dazu tragen unter anderem 1,3 Millionen Beschäftigte mit 3,4% des BIP und mit 26 Milliarden Euro Steuern jährlich bei. Dies ist das Ergebnis einer im Auftrag des GDV durchgeführten Prognos-Studie. Damit tragen die Versicherungsgesellschaften überdurchschnittlich zum Wirtschaftswachstum bei. Die Studie sieht in den Versicherungen eine für die Volkswirtschaft wichtige Enabler-Funktion, ähnlich wie die Energiewirtschaft oder die Telekommunikation: “Sie entlasten von Risiken und machen dadurch unternehmerisches Handeln möglich”, so die Macher der Studie. Ohne Versicherungen wäre eine globalisierte Wirtschaft überhaupt nicht denkbar. Auch dieser Faktor spielt für den Nachhaltigkeitsgedanken, der neben ökologischen auch wirtschaftliche und soziale Überlegungen mit einbezieht, eine wichtige Rolle.

Problemfall Kündigung der Lebensversicherung

Wer eine Lebensversicherung hat, ist in der Regel so lange damit zufrieden, bis Liquiditätsbedarf besteht. Vor diesen Hintergrund werden die oft monatlich gezahlten Prämien schon einmal in Frage gestellt, wie auch der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) e.V. zugeben muss. Allein im Jahr 2014 wurden Lebensversicherungen im Gesamtwert von 14,86 Milliarden Euro vorzeitig storniert, wie der GDV meldet – Ein großer Schaden vor allem für die Verbraucher, die mit Stornokosten belastet werden und zudem ihren Versicherungsschutz verlieren. Zudem gibt es das Problem, dass einige Makler den Kunden sogar zur Umdeckung, d.h. zur Kündigung der Altpolice bei gleichzeitigem Neuabschluss drängen, um damit höhere Provisionen zu erzielen. Der Kunde hat dabei das Nachsehen. Verbraucherverbände warnen schon seit Langem vor der vorzeitigen Kündigung. Eine wirklich nachhaltige Alternative zur Kündigung stellt der Verkauf auf dem Zweitmarkt dar, denn auf dem Zweitmarkt werden die Policen zu dem Zweck erworben, diese bis zur Endfälligkeit weiterzuführen. Dadurch bleibt dem Versicherten ein beitragsfreier Rest-Versicherungsschutz gemäß AGB erhalten. Weil die Police auf dem Zweitmarkt weiter Bestand hat, kann man hier von einer Entsprechung der Kreislaufwirtschaft sprechen. Das Wichtigste in Kürze:

  • Nachhaltigkeit bedeutet mehr, als nur das Finanzieren von Windrädern
  • Das Beispiel Prokon zeigt, dass man mit nachhaltig beworbenen Investments auch Geld verlieren kann
  • Einige fondsgebundene Lebensversicherungen waren in Rüstungsprojekten engagiert
  • Andere fondsgebundene Lebensversicherungen investieren ausschließlich in nachhaltige Projekte
  • Kapitallebensversicherungen legen das Geld vorwiegend in Staatsanleihen und langfristigen Anlageprojekten im Energie- und Infrastrukturbereich an
  • Kapitallebensversicherungen können auf dem Zweitmarkt für Lebensversicherungen recycelt werden
  • Investments in erneuerbare Energien werden zunehmend attraktiv für die Versicherer
  • Versicherer dienen als stabilisierendes Element für die Volkswirtschaft
  • Kündigung einer Lebensversicherung widerspricht dem Kreislaufgedanken und schadet dem Verbraucher

 von Dipl. Betriebswirt Matthias Wühle, M.A.

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